Kindertagespflege – eine neue berufliche Perspektive ?
Ein Bericht aus dem Blickwinkel einer Tagesmutter
Es ist Dienstagmorgen 6.30 Uhr. Noch schlafend wird die 2 ½ jährige Lea* von ihrer Mutter zu mir, ihrer Tagesmutter, gebracht und ins Reisebettchen gelegt. Die Mutter verabschiedet sich mit einem Kuss von ihrer Tochter; nach einem kurzen Gespräch eilt sie aus dem Haus zu ihrer Arbeitsstelle.
Während Lea ruhig schläft („bewacht“ durch das Babyphon)richte ich das Frühstück für meine eigenen Kinder und sorge dafür, dass alle rechtzeitig zur Schule kommen. Kaum ist das Haus leer, werden auch schon die beiden anderen Kinder, Amelie* (2 Jahre) und Felix *(8 Monate), gebracht. Auch ihre Mütter haben nur wenig Zeit für ein Gespräch , deshalb werden nur die wichtigsten Informationen ausgetauscht ; Zeit für ausführliche Unterhaltungen finden wir später beim Abholen der Kinder und in regelmäßigen Abständen bei einer Tasse Tee oder Kaffee.
Amelie kann es kaum erwarten bis ihre Freundin Lea endlich aufwacht und mit ihr spielt. Endlich ist es soweit. Nachdem Lea gewaschen und angezogen ist, setzen wir uns zum gemeinsamen Frühstück an den Esstisch: Amelie und Felix in ihren Hochstühlen, Lea, „die Große“, auf einem normalen Stuhl. Während die beiden Mädchen selbständig essen und jede Menge Spaß dabei haben, wird Felix von mir gefüttert. Wenn alle satt sind, geht`s ins Badezimmer zum Hände- und Gesicht-waschen und zum Zähneputzen. Selbst das macht in unserer kleinen Runde richtig Vergnügen, jedes Kind hat natürlich seine eigenen Zahnputzutensilien und ist stets darauf bedacht, dass auch alles an seinem Platz steht, wenn wir das Badezimmer wieder verlassen.
Während ich das Geschirr wegräume, liegt Felix bei mir in der Küche auf seiner Krabbeldecke und dreht sich in alle Richtungen, um auch jede Bewegung der Großen zu beobachten. Diese haben sich an den kleinen Kindertisch gesetzt und bauen mit den Duplo-Steinen oder malen kleine Kunstwerke; sie versorgen ihre Puppenkinder und fahren sie im Puppenwagen quer durch die ganze Wohnung. Bei all diesen Aktivitäten bin ich selbstverständlich im Hintergrund immer anwesend und achte darauf, dass keiner zu Schaden kommt. Aber eingreifen muss ich selten und bin froh darüber, denn ich halte das freie Spiel für sehr wichtig.
(Denn während des freien Spiels hat das Kind die Möglichkeit, den Inhalt des Spiels selbst zu wählen, eigene Kreativität zu entwickeln und Sozialerfahrung zu sammeln. Außerdem können Freundschaften vertieft, Konzentration und Ausdauer entwickelt und spontane Aktivitäten zugelassen werden.) Aber natürlich gibt es bei uns auch gemeinsame Spiele: wir puzzeln zusammen, schauen Bilderbücher an, singen viel und gerne, malen, kneten, knuddeln und schmusen. Alles genauso, wie die Kinder es zu Hause bei Mama und Papa erleben. Denn die Tagespflege ist eine sehr familiennahe und flexible Form der Kinderbetreuung, in der die Tageskinder genauso behandelt und versorgt, oft sogar genauso geliebt werden, wie die eigenen Kinder.
Ein fester Bestandteil unseres Tagesablaufs bildet auch unser täglicher Spaziergang. Felix und Amelie sitzen im Zwillingsbuggy und Lea läuft an meiner Hand. Auf unserem Weg zum Spielplatz, zu den Pferden auf der Weide oder in den Park zum Kastanien-und Blättersammeln gehen wir noch beim Bäcker vorbei und machen kurze Besorgungen. Wir treffen uns auch regelmäßig mit anderen Müttern und Kindern und besuchen 1x wöchentlich eine Krabbelgruppe. All dies wurde natürlich zuvor mit den Eltern der Tageskinder abgesprochen. Bald beginnt für Lea auch die Eingewöhnung in den Kindergarten, den sie mit 3 Jahren besuchen soll. Wenn es soweit ist, werden wir gemeinsam einen Teil der Zeit dort verbringen, bis sie sich soweit eingewöhnt hat, dass sie auch für längere Zeit alleine dort bleiben kann und möchte.
Gegen 12.15 Uhr wird Lea abgeholt. Jetzt kommt auch Paul (9 Jahre) von der Schule und setzt sich gleich an den Tisch, beginnt mit seinen Hausaufgaben und erzählt von seinem Vormittag. Ich sitze mit am Tisch und versorge Amelie und Felix mit ihrem vorbereiteten Mittagessen. Anschließend werden sie gewickelt und jedes Kind nach einem bestimmten Ritual, das es von zu Hause kennt, ins Bett zum Mittagsschlaf gelegt.
Da meine eigenen Kinder schon etwas älter sind und später von der Schule kommen, habe ich noch genügend Zeit das Mittagessen für uns zu kochen. Paul hilft mir dabei und sieht es als seine Aufgabe, den Tisch zu decken. Beim gemeinsamen Essen wird viel erzählt und diskutiert und meine eigenen Kinder stört es absolut nicht, dass ein weiteres Kind am Tisch sitzt. Natürlich gibt es ab und zu Probleme, deshalb ist es auch sehr wichtig, dass der Partner und die eigenen Kinder in die Planung und Gestaltung des Familienlebens mit Tageskindern einbezogen und an der Aufstellung von Regeln beteiligt werden. Denn ohne ihre Unterstützung geht es nicht.
Amelie und Felix haben ausgeschlafen, die Hausaufgaben der Großen sind kontrolliert oder werden noch erledigt. Da das Wetter schön ist, gehen wir nach draußen in den Garten. Die Großen wollen Fußball spielen, Amelie fährt Bobby Car und Felix wird von mir rumgetragen, ich sitze mit ihm im Sandkasten oder schaukle ihn in der Kinderschaukel. Gegen 16.00 Uhr werden dann die beiden Kleinen von ihren Mamas bzw. Papas abgeholt. Jetzt ist mehr Zeit für ausführliche Gespräche: wir erzählen von unserem Tag, ob es Probleme oder besondere Vorfälle gab, was die Kinder alles erlebt haben. Aber auch Terminabsprachen und eventuell geänderte Betreuungszeiten wegen beruflicher Termine oder Arztbesuchen etc. werden besprochen.
Pauls Mutter kommt um 18.00 Uhr. Bis dahin ist noch genügend Zeit für ein gemeinsames Spiel; oft beschäftigt er sich aber viel lieber mit meinen Kindern oder möchte auch alleine Lego oder ähnliches spielen.
Wenn abends alle Kinder abgeholt sind, erledige ich den Haushalt, höre meine Kinder noch Vokabeln oder ähnliches ab und freue mich auf meinen Feierabend.
Bei uns verläuft jeder Tag ein wenig anders, denn die Kindertagespflege ist eine sehr flexible Form der Kinderbetreuung. Nicht alle Eltern benötigen jeden Tag eine Betreuung für ihr Kind. Manche Kinder kommen nur vormittags, andere nur an 2 -3 Tagen oder nur für ein paar Stunden: eben so, wie die Eltern es möchten.
Für die Zukunft dieses Berufes wünsche ich mir, dass die Eltern irgendwann eine wirkliche Wahlfreiheit haben, ob sie ihr Kind in eine Kita oder zu einer Tagesmutter geben, denn momentan kann eine Tagesmutter ihre Plätze nicht so günstig anbieten wie es die öffentlichen Kindergärten oder Kitas können, da sie von Städten oder Gemeinden finanziell unterstützt werden. Eine Tagesmutter gilt als selbständig, muss deshalb auch Versicherungen und Abgaben zahlen und sollte angemessen für ihre Arbeit entlohnt werden. Denn reich wird sie dadurch gewiss nicht. Außerdem sollten das Konkurrenzdenken und die Vorbehalte zwischen Erziehern und Tagesmüttern abgebaut werden, denn wir haben alle das Wohl der uns anvertrauten Kinder im Sinn und wollen nur ihr Bestes. Auch eine Tagesmutter hat sich auf ihre Aufgabe vorbereitet und ist bemüht, sich fortzubilden; oftmals tut sie es in ihrer Freizeit und auch auf eigene Rechnung. Schön wäre auch eine bessere Vernetzung, so dass z.B. im Krankheitsfall
schneller eine Vertretung gefunden werden könnte oder die Tagesmütter sich leichter miteinander austauschen könnten.
Aber auch wenn es bestimmt noch einiges zu verbessern gäbe, so macht die Arbeit mit den Kindern und ihren Eltern doch großen Spaß und bereichert nicht nur die Familie der Tagesmutter.
*Namen geändert
Pressemitteilung
Mosbach, 20. Dezember 2011
Zertifizierung Tagesmütter
Mosbach. Tagesmütter haben eine große Verantwortung. Sie betreuen Kinder nicht nur, sie erziehen und fördern sie auch – und das immer öfter auf hohem Niveau. Diese immens gestiegene Professionalität spiegelt sich in der Qualifizierung zur „Kindertagespflegeperson“ wieder, die erneut sechs Frauen beim Tagesmütterverein des Neckar-Odenwald-Kreises absolviert haben. Dort werden die Kurse seit 2002 in Kooperation mit dem Landratsamt angeboten. Für ihre erfolgreiche Teilnahme durften die Frauen nun in einer kleinen Feier die entsprechenden Zertifikate aus den Händen von Renate Körber vom Landratsamt entgegen nehmen.
Nach der Begrüßung durch Michaela Neff vom Vorstand des Tagesmüttervereins zeigte sich die Fachbereichsleiterin für Jugend, Gesundheit, Arbeit und Soziales sehr beeindruckt vom Umfang und der Intensität der Kurse. Tatsächlich werden in 160 Unterrichtseinheiten Fragen rund um die Erziehung und Förderung, aber auch um die verschiedenen Perspektiven der „Beteiligten“ – Tagesmutter, Tagespflegekind, Eltern –, um das Verhalten bei Konflikten und um rechtliche Grundlagen nicht nur gestreift, sondern intensiv gemeinsam be- und erarbeitet. Eine Exkursion in eine Montessori-Kinderkrippe in Heidelberg rundete die Weiterbildung ab, die in 4 Modulen innerhalb eines Jahres absolviert werden kann. Als Abschluss erarbeitete jede Teilnehmerin eine eigenständige Konzeption und bereitete ein pädagogisches Thema vor, das in einem Kolloquium vorgestellt werden musste. Ebenfalls obligatorisch: der Besuch eines Kurses zur ersten Hilfe bei Kindern. Mit Recht also gratulierte Renate Körber den Absolventinnen zum erfolgreichen Abschluss und bedankte sich für die konstruktive Zusammenarbeit und das große Herz für Kinder: „Erziehung ist keine einfache, aber eine sehr schöne und verantwortungsvolle Aufgabe, bei der es immer wieder Momente gibt, an denen es einem so richtig warm ums Herz wird. Für Ihre Arbeit mit den Kindern wünsche ich Ihnen, dass Sie das mindestens einmal am Tag erleben dürfen.“
Sie erwähnte auch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige ab 1. August 2013, weshalb diesbezüglich viel in der politischen Diskussion in Bewegung sei: „Durch den von Ihnen absolvierten Kurs erfüllen sie nun in jedem Fall schon heute den vom Staat in der Kindertagespflege geforderten Standard.“
Im Zusammenhang mit der Organisation und Durchführung der Weiterbildung gingen Dankesworte an Michaela Neff, Tanja Siebert-Weiß, Simone Nossek-Gremminger, Ingrid Stephan-Stark, Monika Sorg und Heidi Fiederer, Dozentinnen und Mitarbeiterinnen des Tagesmüttervereins. Nadine Polk ist die „Verbindung“ ins Landratsamt. „Diese Verbindung und die daraus resultierende Zusammenarbeit klappe hervorragend“, lobte Michaela Neff.
Das Qualifizierungsangebot, das auf freiwilliger Basis begonnen wurde, ist im Übrigen mittlerweile verpflichtend für alle, die in diesem Bereich tätig werden wollen. Die Kindertagespflege ist neben der institutionellen Betreuung in Kindertagesbetreuungseinrichtungen eine sehr familiennahe Form der Kinderbetreuung. Sie ist geeignet für Kinder im Alter bis zu 14 Jahren und findet im Haushalt der Tagespflegeperson, (oder) im Haushalt der Eltern des Kindes oder in anderen geeigneten Räumen statt. Bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel, der es mit sich bringt, dass immer mehr Mütter wieder bald nach der Geburt berufstätig sind, werden diese und andere Betreuungsmöglichkeiten immer wichtiger – eine Entwicklung, der der Gesetzgeber unter anderem mit dem kommenden Rechtsanspruch Rechnung getragen hat.
Für das kommende Jahr stehen die Termine für die neuen Qualifizierungskurse im Neckar-Odenwald-Kreis bereits fest. Interessierte Männer und Frauen können sich beim Tagesmütterverein NOK e.V. Mosbach (Telefon 06261/899928) informieren. Unverbindliche Auskunft erhalten Interessenten auch beim Landratsamt, Geschäftsbereich Jugendhilfe Mosbach (Telefon 06261/842106) oder Buchen (Telefon 06281/52122103).